Ihre eigene Schulzeit ist noch gar nicht lange her. Doch bei „Komm auf Tour“ im Feierabendhaus schlüpfen 18 Azubis von YNCORIS in die Rolle der erfahrenen Feedbackgeber. Sie betreuen verschiedene Schulgruppen und machen Stärken und Fähigkeiten sichtbar. Wir haben zwei von ihnen für einen Tag begleitet.
Im Feierabendhaus ist ein Erlebnisparcours aufgestellt. Darin der Grundriss eines Hauses mit Schlafzimmer, Küche und Wohnzimmer. Überall liegen Teller, Blumentöpfe, Kissen und Dekoration herum. In seiner Abwesenheit hätte jemand eine furchtbare Unordnung hinterlassen, erklärt der pädagogische Mitarbeiter. Ob die Kinder ihm beim Aufräumen helfen würden? Schnell melden sich zwei Mädchen, um den Siphon zu reparieren. Zwei Jungs falten kurz danach am Esstisch hingebungsvoll die zerknüllten Servietten neu.
Sturmfreie Bude
Die „sturmfreie Bude“ ist eine von sechs Stationen eines Erlebnisparcours, in denen sich Schüler*innen der siebten Klassen ausprobieren und eigene Stärken entdecken können. Mehrere Mitarbeitende fragen nach Hobbys und Interessen, unterstützen und beobachten sie. Für insgesamt sieben Fähigkeiten, die die Jugendlichen an den Stationen zeigen – wie Ordnungssinn, Kommunikation, Hilfsbereitschaft oder handwerkliches Geschick – verteilen die „Reisebegleitungen“ großzügig Aufkleber. Im Laufe der Veranstaltung sammeln die Kinder so jede Menge Sticker – und erhalten dadurch Feedback zu ihren besonderen Stärken.
Auch Leon Kaiser, Auszubildender bei YNCORIS, steht gerade an der „sturmfreien Bude“ und beobachtet. Wer bespricht sich mit seinen Klassenkamerad*innen? Wer packt sofort mit an? Wer kann gute Hinweise liefern? „Die beiden Mädchen haben den Siphon direkt wieder richtig angeschlossen, waren sich dann aber doch unsicher und wollten sich mit ein paar Jungs besprechen“, erzählt Leon. „Die hatten aber eigentlich weniger Ahnung als sie selbst.“ Sein Ausbildungskollege Luik Vogt betreut in der Zeit die Gruppe einer Förderschule am „Labyrinth“. Hier geht es um Kooperation, Hindernisse, neue Wege und darum, Hilfe zu suchen und zu erhalten. Am Ende verteilen beide ihre Aufkleber, bevor es zur nächsten Station geht. „Es macht Spaß, rein positives Feedback zu geben“, sagt Luik. „In der Schule erfahren viele deutlich häufiger, was sie alles nicht können.“ Leon ergänzt: „Wir sehen den Schüler*innen an, dass es ihnen viel bedeutet, von uns als neutralen und jungen Beobachtern Rückmeldung und Wertschätzung zu bekommen. Das ist auch für uns ein gutes Gefühl.“ Am Anfang kostete es sie ein wenig Überwindung, auf die Schüler*innen zuzugehen. Doch die Aufgabe macht den beiden sichtlich Spaß. Auch die Jugendlichen sprechen die beiden Mechatroniker im ersten Ausbildungsjahr häufig an: Welche Möglichkeiten habe ich im Handwerk? Welche Aufgaben habt ihr? Wo arbeitet ihr? Und was verdient ihr?
Am Ende des Tages haben Luik und Leon jeweils drei verschieden Gruppen sieben Stunden lang durch den Parcours begleitet und hunderte Sticker verteilt. Die beiden können sich vorstellen, das Unternehmen auch bei anderen Veranstaltungen zu vertreten – zum Beispiel als Ausbildungsbotschafter. Druck, einen besonders guten Eindruck machen zu müssen, spüren die beiden nicht. Luik: „Ich bin gern das Gesicht nach außen.“
Aushängeschild
Die jungen Unternehmensvertreter kommen nicht nur bei den Jugendlichen, sondern auch bei den Verantwortlichen gut an. „Wir sind sehr froh, die Azubis von YNCORIS dabeizuhaben“, sagt Svenja Kormann, die Veranstaltungsleiterin von „Komm auf Tour“. „Sie bringen sich mit viel Engagement, Neugier und Einfühlungsvermögen ein. Und ihre eigene Geschichte auf dem Weg zu einem Ausbildungsberuf ist für die Jugendlichen hier eine große Hilfe.“
Was ist „Komm auf Tour“?
Das Projekt gibt es bundesweit bereits seit 2007. Ziel ist es, Jugendliche der siebten Klassen von Haupt-, Real-, Gesamt- und Förderschulen Impulse zu geben, um ihre Stärken zu entdecken, Selbst- und Fremdbild zu erfahren, sich beruflich zu orientieren und um Lust auf Zukunft zu machen. Für Eltern und Lehrer gibt es begleitende Angebote. Regionaler Initiator ist der Rhein-Erft-Kreis in enger Zusammenarbeit mit Ausbildungsbetrieben vor Ort. Seit Projektstart sind der Chemiepark Knapsack und YNCORIS mit dabei. Zusätzlich zur Unterstützung durch die Auszubildenden stellt YNCORIS das Feierabendhaus auch in diesem Jahr für „Komm auf Tour“ kostenfrei bereit. Insgesamt haben dort rund 1.400 Jugendliche aus dem Kreis an neun Tagen im März und April den Erlebnisparcours durchlaufen. Neben der Aktion "TuWaS!", die Schüler*innen bereits in der Grundschule unterstützt, ist „Komm auf Tour“ ein weiterer Baustein, mit denen YNCORIS junge Menschen bei der Berufsorientierung begleitet.
„Wir hoffen, dass sich die Jugendlichen durch dieses Projekt auch im privaten Umfeld mehr zutrauen. Mit der Erkenntnis ‚Ich habe eine handwerkliche Stärke‘ geht es einfacher ans Fahrradflicken, Möbelaufbauen und am Ende vielleicht sogar in eine technische Ausbildung bei YNCORIS.“
(Dirk Borkenhagen, Leiter Ausbildung bei YNCORIS)