Der Gesetzgeber macht es Arbeitgebern beim Thema Gefahrstoffe nicht leicht. Denn die Regelwerke zur Gefahrstoffverordnung wirken auf den ersten Blick erschlagend. Viele, die über keine guten chemischen Vorkenntnisse verfügen, lassen es dann lieber gleich ganz. Dabei gibt es von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (baua) eine Anleitung, mit der jeder in wenigen Minuten einen Gefahrstoff einschätzen kann.

Den Leitfaden, den die baua entwickelt hat, nennt sich „Einfaches Maßnahmenkonzept Gefahrstoffe“, kurz EMKG, und richtet sich an alle, die im Arbeitsschutz tätig sind, vor allem an Verantwortliche in kleinsten, kleinen und mittleren Unternehmen. Auch wenn die Berufsgenossenschaften fleißig für das Konzept werben, ist es in vielen Betrieben noch nicht im Einsatz. Das liegt vielleicht auch daran, dass es auf den ersten Blick komplizierter aussieht als es ist. Nach einer kurzen Einführung ist das EMKG nämlich einfach zu nutzen und gibt Ihnen für die meisten Gefahrstoffe einen guten Überblick, ob Sie bereits die notwendigen Maßnahmen ergriffen haben oder der Rat eines Experten empfehlenswert wäre. Das Konzept eignet sich außerdem als praxisnahes Unterweisungsthema für Ihre Meister und Schichtführer, damit die Kollegen die Stoffe später selbst einschätzen können – und direkt verstehen, wie es zu einer Einschätzung kommt.

Für Haut, Einatmen und Brand/Explosion

Die Leitfäden sind zum einen für Gefahrstoffe ausgelegt, die über die Haut in den Körper gelangen, zum anderen für solche, die eingeatmet werden können. Außerdem gibt es einen Leitfaden, mit dem sich Brand- und Explosionsgefährdungen beurteilen lassen.

In fünf Schritten zur Lösung

Wir zeigen Ihnen am Beispiel des Leitfadens „Haut“ wie sie vorgehen müssen. Die Tipps können Sie einfach auf den Leitfaden „Einatmen“ übertragen. Dazu haben Sie zwei Möglichkeiten: Entweder nutzen Sie die Drehscheibe, die die baua zur Verfügung stellt oder Sie laden sich die kostenlose App „EMKG 3.0“ aus den App Stores von Apple oder Google herunter. Die Drehscheiben erhalten Sie über die Website der baua.

Einen Überblick über die Grundanforderungen verschafft Ihnen auch der Leitfaden zum EMKG. Welche Hygieneanforderungen müssen Sie beachten, gibt es Belüftungsvorschriften? Sie finden ihn hier.

Und so geht’s:

Schritt 1: Wo kann der Gefahrstoff in den Körper eindringen?

Wählen Sie hier zunächst den richtigen Leitfaden „Haut“ oder „Einatmen“.

Schritt 2: In welche Gefährlichkeitsgruppe gehört der Stoff?

Nutzen Sie dazu am besten das Sicherheitsdatenblatt des Gefahrstoffs. Darüber hinaus können Sie die Gefährlichkeitsgruppe nach den Hazard Statements (H-Sätze) der CLP-Verordnung nachschlagen. Treffen mehreren H-Sätze auf Ihren Gefahrstoff zu, orientieren Sie sich an der höchsten Gefährlichkeitsgruppe. Als Hilfestellung bietet die baua eine Tabelle mit der genauen Zuordnung der H/EUH-Sätze zu den Gefährlichkeitsgruppen der einzelnen EMKG Module Haut, Einatmen, Brand und Explosion an. Die Leitfäden sowie weitere Dokumente finden Sie hier.

Schritt 3: Wie groß ist die Wirkfläche?

Für die Gefährdungsbeurteilung ist es wichtig zu wissen, auf welche Fläche der Stoff einwirkt. Können Ihre Mitarbeiter beispielsweise höchstens Spritzer abbekommen oder müssen sie regelmäßig ihre Hände in den Stoff tauchen. Wählen Sie danach den entsprechenden Bereich auf der Drehscheibe aus. (Bei Gefahrstoffen, die Sie einatmen könnten, schätzen Sie hier stattdessen die Menge des Stoffes ab.)

Schritt 4: Wie lange kann der Stoff wirken?

Auch die Wirkdauer beeinflusst die Gefährdungsbeurteilung. Kommen Ihre Mitarbeiter nur kurz, also bis 15 Minuten pro Tag mit dem Stoff in Berührung oder arbeiten sie länger mit ihm. Beziehen Sie dabei auch wiederkehrende Tätigkeiten mit ein. Wer dem Stoff mehrmals täglich ausgesetzt ist, muss die gesamte Zeit anrechnen. (Bei Gefahrstoffen, die Sie einatmen könnten, ermitteln Sie an dieser Stelle die Freisetzungsgruppe aus dem Sicherheitsdatenblatt.)

Schritt 5: Lesen Sie die Maßnahmenstufe ab

Sollten sie mit der Drehscheibe arbeiten, bleiben sie immer in einem „Kuchensegment“.  Am Ende können sie eine Farbe ablesen, die für eine Maßnahme steht. Die Schutzmaßnahmen der Reihe 100 sind Mindeststandards, die Sie immer einhalten müssen.

Die Drehscheibe zeigt Ihnen außerdem, welchen Schutzleitfaden Sie benötigen, den Sie ebenfalls über die baua erhalten. Er ist eine Art Checkliste. Können Sie alle Fragen darauf mit „ja“ beantworten, sind Sie auf der sicheren Seite. Er zeigt Ihnen aber auch, wenn Sie sich den Rat von Experten einholen sollten. Dies können Fachkräfte für Arbeitssicherheit sein, die sich Bereich Gefahrstoffe besonders auskennen oder Sie sprechen Ihre Berufsgenossenschaft an. Die Mitarbeiter dort unterstützen in aller Regel gern.

Noch bequemer geht es übrigens mit der App. Hier können Sie am Ende direkt die Maßnahmenstufe ablesen und direkt den jeweiligen Leitfaden per Link herunterladen.

Separate Drehscheibe für das Thema Brand- und Explosionsschutz

Für den Brand – und Explosionsschutz vor Gefahrstoffen existiert eine weitere Scheibe. Auch hier ist die Vorgehensweise ähnlich. Ermitteln Sie Ihre Gefährlichkeitsgruppe am besten über den Arbeitsschutzgrenzwert (AGW) nach TRGS 900 – oder alternativ über die H-Sätze. Schauen Sie danach, in welcher Menge der Stoff bei Ihnen vorkommt und ermitteln Sie Stoffgröße (zum Beispiel Pellets, Körner oder Staub) sowie den Siede- oder Dampfdruck. App und Drehscheibe geben Ihnen wieder den entsprechenden Schutzleitfaden an.

Alles Schritte zum Konzept hat die baua noch einmal auf einem kostenlosen Poster zusammengefasst. 

Tipp zum Schluss: Starten Sie mit dem EMKG - aber vergessen Sie den Rest nicht.

Das EMKG unterstützt Sie und Ihre Mitarbeiter bei der Gefährdungsbeurteilung von Gefahrstoffen. App und Drehscheibe können Ihnen dabei viel Arbeit abnehmen. Denken Sie trotzdem daran, die Gefährdungsbeurteilung zu dokumentieren und die Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen regelmäßig zu überprüfen. Auch das Aufbewahren von Sicherheitsdatenblättern, das Erstellen des Gefahrstoffverzeichnisses, von Betriebsanweisungen sowie Vorkehrungen bei Unfällen oder Störungen, die Unterweisung von Mitarbeitern und arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen stehen weiterhin an. Die erste Hürde haben Sie so aber auf jeden Fall schon genommen.