Vor einiger Zeit hat ein Handwerker bei einem unserer Kunden statt der Leitung für Natronlauge die Leitung für Salzsäure geöffnet. Beide Rohre waren ordnungsgemäß gekennzeichnet, allerdings konnte das der Handwerker aus seiner Position nicht erkennen. Passiert ist zum Glück nichts, doch brenzlig war die Situation allemal. Wir neigen in solchen Situationen dazu, zuerst nach einem Schuldigen zu suchen. Die Fragen, die wir uns stattdessen stellen sollten, sind: Was ist in der Kommunikation schiefgelaufen? Und was können wir tun, damit solche Fehler in Zukunft nicht mehr passieren?
Bei einem Ereignis hilft nur das offene Gespräch. Denn die meisten Fehler liegen nun mal in der Kommunikation. Häufig ist beim Empfänger etwas anderes angekommen, als der Sender meinte. Der Empfänger interpretiert die Aussage des Senders, anstatt noch einmal nachzufragen. Deshalb hilft manchmal auch die beste Beschreibung nur wenig, während alles sofort klar ist, wenn es der Handwerker direkt vor Ort sieht.
Selbst ohne Unfälle ist die richtige Kommunikation der Schlüssel für den Erfolg in der Zusammenarbeit zwischen Dienstleister und Auftraggeber. Auch Beinaheunfälle, kritische Situationen und unsicheres Verhalten sollten Sie daher regelmäßig in einem konstruktiven Gespräch gemeinsam aufarbeiten.
Dabei könnte man meinen, je länger die Zusammenarbeit, desto besser ist das Verständnis. Doch das muss nicht so sein. Natürlich kennen eigene oder fremde eingespielte Teams die Anlage und die Abläufe darin im Detail, wissen, worauf der Betreiber Wert legt und können sich dementsprechend verhalten, ohne dass er noch einmal alles haarklein erklären muss. Auf der anderen Seite folgt daraus auch eine gewisse Betriebsblindheit. Bei zu viel Routine steigt das Risiko für Ereignisse wieder. Neue Dienstleister oder neue Kollegen des gleichen bewährten Dienstleisters haben dagegen von Natur aus Verständnisfragen, die anregen, Prozesse zu überdenken. Warum ist diese PSA vorgesehen? Wieso läuft die Demontage in dieser Reihenfolge ab? Externe können vor dem Hintergrund ihrer eigenen Philosophie und ihren Erfahrungen aus anderen Unternehmen neue Impulse für die Arbeitssicherheit geben. Die Chance eines fachkundigen Blicks von außen sollten sich Betreiber deshalb nicht entgehen lassen und Geschäftspartner in das eigene Sicherheitssystem einbinden. Für Auftraggeber bedeutet das: Die Anmerkungen Ihres Dienstleisters sind kein Gemecker, sondern geben Ihnen die Möglichkeit, Prozesse sicher, schneller und effizienter zu machen. Motivieren Sie Ihr Personal, es anzusprechen, wenn sie sich in einer Arbeitssituation unwohl fühlen. Für Dienstleister heißt es: Die meisten Unternehmen sind dankbar für Sicherheitshinweise – wenn die Formulierung stimmt. Kommen Sie also mit einem konstruktiven Vorschlag um die Ecke und zeigen Sie Ihrem Gegenüber die Vorteile für Mitarbeiter und Unternehmen.
In der chemischen Industrie gelten hohe Anforderungen an die Arbeitssicherheit. Gerade in den oberen Führungsebenen steht die Sicherheit ganz oben. An der Basis und im täglichen Arbeiten werden solche Standards nicht immer durchgängig gelebt. Wie gut die Umsetzung gelingt, hängt stark von jedem Einzelnen und der Fehlerkultur im Unternehmen ab. Viele Dienstleister neigen dazu, Ihre Sicherheitsstandards denen des Kunden anzupassen. Kein schlechter Gedanke, solange der Sicherheitsstandard des Kunden höher ist als der eigene. Doch was, wenn es umgekehrt aussieht? Dienstleister müssen sich dann fragen, ob sie sich in Ausnahmefällen mit den geringeren Standards zufriedengeben wollen oder ihre Mitarbeiter notfalls von der Aufgabe abziehen – mit allen Konsequenzen und Streitigkeiten, die aus so einer Entscheidung erwachsen können. In einer Zusammenarbeit, in der sich Auftraggeber und Auftragnehmer schätzen, sollte es allerdings möglich sein, über die unterschiedlichen Ansichten zu sprechen und zu analysieren, ob die niedrigeren Sicherheitsstandards nicht doch einer Überarbeitung bedürfen.
Natürlich gibt es umgekehrt auch externes Personal, das Vorgaben nicht ernst genug nimmt. Dann müssen Auftraggeber klare Worte finden. Trägt ein Mitarbeiter seine PSA nicht richtig, kann es aber auch interessant sein, nach dem Warum zu fragen. Denn oft ist es kein böser Wille, vielleicht ist das Handling in dem Bereich schwierig oder die Wege zu weit. Dann lässt sich mit einfachen Mitteln häufig eine größere Akzeptanz erzielen, wenn Sie das Thema in die Belegschaft tragen. Haben Sie den Eindruck, dass Ihr Dienstleister die Maßnahmen nicht in Ihrem Sinne annimmt und umsetzt, ist es im Zweifel notwendig, sich auch von einem fachlich guten Partner zu trennen. Denn gute Dienstleister sollten daran interessiert sein, die Arbeit für Mitarbeiter so sicher wie möglich zu gestalten. Auftraggeber erwarten übrigens, dass eventuelle Sub-Unternehmer die gleichen Sicherheitsstandards wie Ihr Partner einhält. Es ist Aufgabe des Dienstleisters, dies zu gewährleisten.
Gerade, wenn der Druck steigt, erhöht sich das Risiko für Unfälle. Zum Beispiel, weil die Muße fehlt, umfassend zu kommunizieren und zu erklären. Dann können Dinge in der Hektik vergessen gehen oder nicht sauber delegiert werden. Wenn klar ist, dass es hektisch werden könnte, zum Beispiel bei Stillstandsarbeiten, sollten Sie möglichst viele Aspekte bereits im Vorfeld klären. Auch Arbeitserlaubnisscheine lassen sich für viele Arbeiten bereits im Vorfeld verfassen und vorab zur Ansicht an die Handwerker senden. Dadurch haben sie die Chance, sie sich in Ruhe durchzulesen und mögliche Fragen noch im Vorfeld und zusätzlich direkt am Ausgabetag vor Ort zu stellen. Apropos Arbeitserlaubnisscheine: Formulieren Sie so genau wie möglich. Wo endet und wo beginnt für Sie die Pumpe? Was gehört zu den Arbeiten? Welche PSA muss sein? Haben Sie dabei im Blick, dass Ihr Geschäftspartner unter einem Standardhandschuh etwas ganz anderes verstehen kann als Sie. Erfahrene Handwerker können dabei im Vier-Augen-Prinzip unterstützen.
Wenn es um den Schutz der Mitarbeiter geht, greifen viele Unternehmen schnell zu persönlicher Schutzausrüstung. Oft zu schnell. Personenbezogene Maßnahmen sollten immer die letzte Lösung sein, wenn technische oder organisatorische Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Alles, was die Sicherheit mit technischen oder organisatorischen Maßnahmen gewährleistet, sorgt auch dafür, dass Fehler oder Missverständnisse beim Mitarbeiter gar nicht erst entstehen. Erinnern Sie sich noch an die beiden Rohrleitungen für Salzsäure und Natronlauge vom Anfang? Sie wurden seit dem Beinahe-Unfall übrigens farblich deutlich unterschiedlich gekennzeichnet – so dass jeder aus jeder Position sofort erkennt, welche Leitung welchen Stoff beinhaltet. Denn auch wenn bestimmte Schutzmaßnahmen für die eigenen Mitarbeiter zur Selbstverständlichkeit geworden sind, muss das nicht auch für externes Personal gelten. Zudem ist PSA trotz zunehmend besserer Materialien doch immer eine Belastung für Ihre Mitarbeiter.
Viele Maßnahmen, die das Arbeiten sicherer machen, machen es häufig auch ein wenig aufwändiger oder umständlicher. Manch einer ist daher geneigt, auf solche Maßnahmen zu verzichten. Die Begründung lautet dann: Das Risiko ist doch extrem gering, da passiert schon nichts. Dabei ist Wahrscheinlichkeit hier höher als die Chance auf einen Lottogewinn. Und hierauf hat – sind wir ehrlich – schon fast jeder einmal gehofft.