Letztes Jahr hat die Bundesregierung den Weg frei gemacht für den „privaten und gemeinschaftlichen, nicht-gewerblichen Eigenanbau von Cannabis für Erwachsene zum Eigenkonsum“. Ab 1. April dürfen Erwachsene nach dem vorgelegten Gesetzesentwurf in Deutschland legal einen Joint rauchen, 25 Gramm Cannabis besitzen und in begrenzten Mengen selbst anbauen. Doch was bedeutet das für die Arbeitssicherheit, wenn Ihre Mitarbeitenden und Kolleg*innen zukünftig ihre Hanfpflanzen auf der Fensterbank hegen und ernten?

Gleich vorneweg: Wirkliche Details sind noch nicht festgelegt. Deshalb wissen weder Berufsgenossenschaften noch Versicherungen derzeit, ab welchen Grenzwerten der Konsum von Cannabis gefährlich wäre. 2019 hatte sich eine Berufsgenossenschaft geweigert, den Unfall eines Arbeitnehmers mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit als Arbeitsunfall anzuerkennen. Der Grund: Der Mann hatte Cannabis geraucht und einen THC-Wert von 10 ng/ml im Blut. Die Berufsgenossenschaft sah drogenbedingtes Fehlverhalten. Das Sozialgericht Osnabrück wies das zurück. Für Cannabis gäbe es im Unterschied zu Alkohol keine allgemein akzeptierte Dosis-Wirkung-Beziehung, infolgedessen auch keinen Schwellenwert für eine absolute Fahruntüchtigkeit. Das Bundesverkehrsministerium soll nun bis Ende März 2024 einen Grenzwert für den Cannabis-Wirkstoff THC vorschlagen. Denn für Auto- und Motorradfahrer gilt bisher ein komplettes Fahrverbot unter Cannabiseinfluss.

DGUV empfiehlt kompletten Cannabis-Verzicht bei der Arbeit

Wie Sie sich daher in Ihrem Unternehmen aufstellen, bleibt Ihnen überlassen. Wenn Sie auf Nummer sicher gehen möchten, halten Sie es mit der DGUV und untersagen Sie den Konsum von Alkohol, Drogen und andere Rauschmittel grundsätzlich. Nach § 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 dürfen Versicherte sich durch den Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln nicht in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können. Gleichzeitig dürfen Unternehmer nach § 7 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 Versicherte, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, mit dieser Arbeit nicht beschäftigen. Für alle, die noch nicht volljährig sind, also viele Auszubildende, gilt auch nach dem 1. April weiterhin: Der Konsum von Cannabis ist nicht erlaubt.

Informieren und Unterstützung anbieten

Eine klare Linie beugt grundsätzlich Diskussionen und möglichen Streitigkeiten vor Gericht vor. Die anstehende Legalisierung ist jedoch auch eine gute Gelegenheit, Ihre Mitarbeitenden noch einmal über den Umgang mit Alkohol und Rauschmitteln aller Art zu informieren, für deren Risiken zu sensibilisieren und auf die Hilfsangebote in Ihrem Unternehmen hinzuweisen. Die Berufsgenossenschaften und die DGUV haben Merkblätter zu Drogen und Rauschmitteln herausgegeben. Sie können Sie selbstverständlich weiter nutzen. Denn klar ist, auch wenn der Cannabis-Konsum ab April nicht mehr illegal ist, gesundheitsfördernd wird er dadurch trotzdem nicht.

Außerdem lohnt sich einen Blick in Ihre Gefährdungsbeurteilung. Je nach Formulierung kann es sinnvoll sein, Cannabis explizit zu erwähnen. Dies gilt insbesondere bei Tätigkeiten mit einem hohen Gefährdungspotenzial.

Arbeitsunfall: Wird der Cannabis-Konsum untersucht?

Sollten Ihren Mitarbeitenden nicht die Haschisch-Tütchen aus der Hosentasche fallen oder sie vom typisch süßlichen Geruch umnebelt sein, wird bei einem Arbeitsunfall zunächst niemand untersuchen, ob sie Cannabis konsumiert haben. Anders sieht das Ganze bei einem tödlichen Unfall aus. Hier können Sie davon ausgehen, dass ein obduzierender Arzt auch mögliche Rauschmittel unter die Lupe nimmt.

Arbeiten mit medizinischem Cannabis?

In Ausnahmefällen dürfen Ärzte schwerkranken Menschen Cannabis in pharmazeutischer Qualität verordnen, wenn eine begründete Aussicht besteht, dass sich der Krankheitsverlauf für den Patienten verbessert und schwerwiegende Symptome gelindert werden. Die Techniker Krankenkasse nennt dazu beispielsweise chronische Schmerzen, Spastizität bei Multipler Sklerose und Paraplegie, Epilepsie sowie Übelkeit und Erbrechen nach einer Chemotherapie. Die Studienlage ist jedoch auch hier dünn. Im Arbeitsumfeld müssen Sie daher jeden Einzelfall separat untersuchen – am besten zusammen mit Ihrer Berufsgenossenschaft. Da Schwerkranke allerdings in aller Regel nicht arbeiten, dürfte sich die Zahl der Fälle in Grenzen halten.

Abends einen Joint, dann morgens zur Frühschicht – ist das ungefährlich?

Experten raten, nach dem Cannabis-Konsum 24 Stunden aufs Autofahren zu verzichten. Nach der derzeitigen Rechtslage gilt jedoch jeder als fahruntüchtig, solange bei ihm oder ihr mehr als 1 ng/ml THC im Blut nachweisbar ist. Der ADAC rechnet, dass bei gelegentlichem Konsum für rund sechs Stunden Konzentrationen über diesem Grenzwert zu erwarten sind. Bei regelmäßigem Konsum wird THC zudem im Gewebe gespeichert, und durch eine langsame Rückverteilung ins Blut kann es Tage dauern, bis dieser Wert unterschritten wird.

Wegeunfall nach Cannabis-Konsum – ein Arbeitsunfall?

Wie das Beispiel vom Anfang zeigt, verlieren Arbeitnehmer*innen den Anspruch auf Versicherungsleistungen, wenn sie unter Cannabiseinfluss mit dem Auto oder Motorrad von der Firma oder zur Firma unterwegs waren. Denn der Grenzwert von 1 ng/ml ist schnell überschritten. Fahren sie dagegen Fahrrad oder laufen, kann der Unfall nach derzeitiger Rechtslage als Arbeitsunfall gelten, sofern sich der oder die Mitarbeitende nicht auffällig bekifft verhalten hat.

Weitere Informationen zu Cannabis und seiner Wirkung haben wir hier noch einmal für Sie zusammengefasst:

Gras, Dope, Weed – gibt es da Unterschiede?

Cannabis ist eine Pflanze aus der Gattung der Hanfgewächse. Sie enthält den psychoaktiven Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC), außerdem Cannabidiol (CBD), das im Gegensatz zu THC keine berauschende Wirkung hat. In Deutschland finden für gewöhnlich zwei Teile der Pflanze Verwendung: Als Marihuana werden die getrockneten Blütenblätter, Stängel und Blätter bezeichnet.  Das getrocknete Harz aus den Drüsenhaaren der weiblichen Pflanze heißt Haschisch.

Was passiert beim Konsum von Cannabis?

THC und auch CBD docken an den Rezeptoren des menschlichen Endocannabinoid-Systems an. Diese Rezeptoren sind eigentlich für unsere körpereigenen Cannabinoide vorgesehen. Blockiert THC diese Rezeptoren, beeinflusst das unterschiedliche Körperfunktionen. Es kommt zum Rausch. Wie stark er ausfällt, hängt von der Menge an THC und CBD im Cannabis-Produkt ab, aber auch davon, wie der Mensch es konsumiert.

Wann wirkt Cannabis und wie lange?

Gerauchtes oder gedampftes Gras wird über die Atemwege sehr schnell aufgenommen. Die Wirkung stellt sich schon nach Sekunden oder Minuten ein. Nach etwa 15 bis 30 Minuten erreicht die Wirkung in der Regel ihren Höhepunkt, nach zwei bis drei Stunden ist der Rausch wieder vorbei. Haschkekse entfalten ihre Wirkung deutlich später, nach etwa ein bis zwei Stunden. Weil ein Teil des THC bereits von der Leber zu inaktiven Stoffen verarbeitet wird, gelangt hier weniger THC ins Blut.

Bei Abbau von THC entsteht THC-COOH, das sich mit einem Schnelltest in Speichel, Schweiß oder Urin nachweisen lässt. THC-COOH ist im Urin bei gelegentlichem Konsum zwei bis vier Tage, bei Dauerkonsum rund zwei bis sechs Wochen nachweisbar.

Wie genau wirkt Cannabis?

Das hängt ganz vom Konsumenten ab und davon, welche der Rezeptoren das THC blockiert. Bei den einen führt es zu Euphorie, Lachanfällen oder Heißhunger, andere verlieren Ihre Angst, werden leichtsinnig oder können sich nicht konzentrieren, wieder andere fühlen sich entspannt und schläfrig.

Bei einer hohen Dosis kann es allerdings auch zu Panik und paranoiden Wahnvorstellungen kommen. Einige Experten machen Cannabis außerdem dafür verantwortlich, Psychosen und Angststörungen zu begünstigen, insbesondere dann, wenn es über einen längeren Zeitraum in hohen Dosen konsumiert wird. Viele Ärzte sehen zudem ein Risiko beim Kiffen durch Jugendliche und junge Erwachsene. Das Gehirn entwickelt sich nämlich noch bis zum Alter von etwa 25 Jahren. Rauschmittel, wie Cannabis, können diese Entwicklung negativ beeinflussen und Störungen begünstigen.

Kann man durch Passivrauchen THC aufnehmen?

Im Auto neben kiffenden Kollegen, bei der Party neben den kiffenden Freunden, tatsächlich kann das – gerade, wenn es häufiger vorkommt – ausreichen, dass THC auch in Blut, Urin oder Haaren des Passivrauchers nachweisbar wird. Wissenschaftler gehen jedoch davon aus, dass es unwahrscheinlich ist, dabei den kritische Schwellenwert für das Autofahren von 1 ng/ml THC im Blut zu überschreiten, auszuschließen ist es aber nicht, wie Beispiele der Forschung oder auch die Rechtsprechung zeigen. Käme es zu einem Test, wäre es außerdem unerheblich, ob Ihre Mitarbeitenden Cannabis aktiv oder passiv zu sich genommen haben. Zu einem Rausch führt Passivrauchen übrigens in aller Regel nicht.