Hätten Sie gedacht, dass Asbest auch heute noch ein Thema ist? Schließlich ist der Stoff in Deutschland seit 1993 verboten. Doch ein Blick auf die häufigsten Berufskrankheiten zeigt: Asbestose gehört mit fast 600 Verdachtsanzeigen im Jahr 2020 noch immer zu den häufigsten Berufskrankheiten.

Doch warum ist das so?

Asbest ist ein Stoff mit vielen positiven Eigenschaften: chemisch sehr beständig, hitzeunempfindlich, nicht brennbar. Er weist eine hohe Elastizität und Zugfestigkeit auf und lässt sich mit anderen Materialien leicht zu Produkten verarbeiten. Kein Wunder, dass er eine Zeit lang in rund 3.000 verschiedenen Produkten eingesetzt wurde. Leider ist Asbest auch eindeutig krebserregend. Gebunden in einem Produkt, zum Beispiel einer Dachdämmung, besteht keine Gefahr. Problematisch wird das Ganze, wenn Sie asbesthaltige Produkte anbohren, schleifen, schaben, zersägen oder auf andere Art zerkleinern. Dann zerteilt sich der Stoff in feine Fasern, die sich längs weiter aufspalten und in der Atmosphäre dann verteilen und somit leicht eingeatmet werden können. Die Asbestfasern bleiben in der Lunge, reizen das Gewebe und verursachen auf Dauer Asbestose und Lungenkrebs. Dabei reichen schon kleine Mengen aus, um Schaden anzurichten.

Vorsicht in alten Gebäuden

In vielen Industriegeländen befinden sich noch Gebäude aus den 60er und 70er Jahren, manche sind sogar noch älter. Dort können unter anderem Bodenbeläge, Dachplatten, Fliesenkleber, Spachtelmassen, Fensterkitt, Gipskarton, Estriche oder Putze noch Asbest enthalten. Auch als Brandschutzfarbe, zum Beispiel für Rohrbrücken, Stahlträger oder Mauerwerke, wurde es genutzt. Oft lässt sich nicht direkt erkennen, ob der Stoff verwendet wurde oder nicht. Im Grunde müssen Sie bei jedem unsanierten Gebäude bis in die 90er Jahre hinein damit rechnen, dass asbesthaltige Produkte irgendwo verbaut wurden. Erst seit 1993 ist es in Deutschland verboten, Asbest oder asbesthaltige Produkte herzustellen, in Verkehr zu bringen oder zu verwenden. Paradoxerweise boomt in Asien die Asbestverwendung auch heute noch.

Sanierungen nur durch Fachleute

Möchten Sie in solchen Gebäuden Veränderungen vornehmen, sollten Sie sich vorab erkundigen, ob möglicherweise asbesthaltige Produkte verbaut wurden und im Zweifel Proben nehmen und sie im Labor untersuchen lassen. Schützen Sie schon dabei Ihre Handwerker, zumindest mit einem Einweganzug und FFP2-Maske. Sollten Sie davon ausgehen können, dass asbesthaltige Produkte verbaut wurden, ist eine Spezialfirma für Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten (ASI-Arbeiten) in der Regel die beste Wahl. Sie verfügt über Erfahrungen, mit denen Sie asbesthaltige Materialien, wie Dach- und Fassadenplatten, Dichtungen, Packungsschnüre oder Ähnliches, bereits an der Optik einschätzen und Ihnen Empfehlungen für das weitere Vorgehen geben können. Selbst aktiv zu werden, ist meist keine gute Idee. So müssen Sie unter anderem in Gebäuden die Baustelle staubdicht von der Umgebung abschotten und den Innenbereich während der Arbeiten unter Unterdruck halten. Die Arbeitsbereiche dürfen Ihre Mitarbeiter nur über Schleusensysteme betreten und verlassen. Außerdem nötig: eine integrierte Reinigungsmöglichkeit, mit der alle Asbestreste von der Schutzbekleidung abgespült werden können. Asbesthaltige Reste müssen Sie außerdem separat verpacken, deklarieren und entsorgen. ASI-Arbeiten können daher schnell länger dauern und teurer werden als gedacht. Hier schützt Unwissenheit übrigens nicht vor Strafe. Das Argument, Ihnen wäre die mögliche Gefährdung Ihrer Mitarbeiter nicht bewusst gewesen, zählt gegenüber DGUV und Überwachungsbehörden nicht.

Gesetzliche Grundlagen: TRGS 519 und Gefahrstoff-Verordnung

Für alle Arbeiten mit dem Stoff gilt die Gefahrstoff-Verordnung sowie die „Technische Regeln für Gefahrstoffe Asbest: Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten“ (TRGS 519). Sie legt fest, dass nur fachkundige und sachkundige Personen mit solchen Arbeiten beauftragt werden dürfen. Fachkundig ist laut Gefahrstoff-Verordnung, wer für die Art der Aufgabe entsprechende Berufsausbildung, Berufserfahrung oder eine zeitnahe ausgeübte entsprechende berufliche Tätigkeit sowie die Teilnahme an spezifischen Fortbildungsmaßnahmen verfügt. Als sachkundig gilt, wer zumindest an einem behördlich anerkannten Lehrgang für Tätigkeiten mit asbesthaltigen Materialien teilgenommen und die dazugehörende Prüfung bestanden hat.  Solche Sachkundenachweise gelten für sechs Jahre. Zum Teil ist es darüber hinaus Ihre Pflicht, der Aufsichtsbehörde und/oder der Berufsgenossenschaft zu melden, dass Asbest verbaut wurde. Dafür gibt es spezielle Formblätter, die am besten Ihre sachkundige Person ausfüllt.

Auch wenn schon lange kein Asbest mehr verbaut wird – die Gefahr bei Sanierungsarbeiten besteht weiterhin. Gerade vielen jüngeren Menschen ist der Stoff und seine Gefahren nicht bewusst. Sensibilisieren Sie daher Ihre Mitarbeiter für mögliche Gefahren durch solche Altlasten. Im Netz finden Sie eine Vielzahl von Informationen. Einen guten Einstieg bieten zum Beispiel die kostenlose Broschüre, die das Umweltbundesamt 2020 gemeinsam mit anderen Behörden erstellt hat: „Leitlinie für die Asbest-Erkundung zur Vorbereitung von Arbeiten in und an älteren Gebäuden“. Sie enthält wertvolle Tipps und Hinweise zum richtigen Umgang mit Asbest, die nicht nur für Verbraucher und Privatpersonen, sondern auch für Unternehmen interessant sind. Daneben bieten die Berufsgenossenschaften sowie die DGUV und andere Anbieter viele hilfreiche Informationsblätter.